Alles schien perfekt geplant zu sein: Wir werden drei Wochen Abenteuer-Urlaub in Afrika machen, während unser knapp fünfzehn Monate alter Sohn, er, der leibhaftige Grund dafür, dass wir letztes Jahr zum ersten Mal freiwillig eine Afrika-Pause einlegten, von Verenas Eltern umsorgt werden wird. Damit er sich schon mal an die Großeltern gewöhnen kann und sie sich vor allem auch an ihn, wollte die ganze Familie (bis auf mich) unmittelbar vor unserer Abreise ein paar Tage Skiurlaub am Wilden Kaiser machen. Genau eine Woche vor unserem Abflug erreichte mich dann die Hiobsbotschaft. Verena rief mich abends aufgeregt an und verkündete, dass ihre Mutter einen schrecklichen Skiunfall hatte und derzeit in Wörgl in der Klinik läge. Nach zwei Operationen sind Arm und Bein eingegipst. Ach du meine Güte, so leid mir Gudrun in ihrer misslichen Lage auch tat, um so mehr beschäftigte mich der Gedanke, dass damit wohl die Hauptperson in unserem Konstrukt definitiv ausgefallen war. Wer sollte sich nun um den Kleinen kümmern? Während der restlichen Arbeitswoche stellte ich mich schon mal darauf ein, dass unser langersehnter Urlaub ausfallen könnte. Doch weit gefehlt, als ich am Wochenende nach Österreich fuhr um meine Liebsten abzuholen, stand ihr Entschluss bereits fest. Wir fliegen am kommenden Dienstag wie geplant und Verenas mutiger, tatkräftiger Papa managed alles, also sowohl seine kranke Frau, den Haushalt und unser Baby. Und so bekam er kurzerhand einen Schnellkurs in Säuglingspflege und eine Kurzform seiner Bedienungsanleitung verpasst, also genau die richtige Ablenkung wenn man nebenher noch eine pflegebedürftige, an den Rollstuhl gefesselte Ehefrau im Haus hat.
Und so flogen wir also doch wie geplant am 9.März mit dem Nachtflug von München nach Windhoek, der Hauptstadt Namibias und kamen dort am nächsten Morgen mit ein paar Sorgenfalten mehr, aber wohlbehalten und einigermaßen ausgeschlafen an. Unser Gepäck welches aus zwei Alukisten und zwei großen Einzelteilen einer Toyota Landcruiser Sitzbank bestand war mal wieder etwas zu auffällig und so wurden wir kurz vor dem Ausgang in einen gesonderten Raum zur Zoll-Inspektion gebeten. Mit ein paar Sätzen war die Sache aber abgetan und die nette Dame war mit unseren Erklärungen zufrieden, wir mussten gar nichts weiter auspacken. Draußen erwartete uns dann pünktlich Heike und schon düsten wir die 40km nach Süden zu Ihrer Farm. Warme Sonnenstrahlen umgaben uns und auch dieser unbeschreibliche Duft nach Afrika und Abenteuer wie wir ihn jedesmal empfinden wenn wir auf diesem Kontinent ankommen.
Um 8:45 Uhr waren wir bereits das Farmgelaende, mit seinem wirklich beeindruckend schönen ehemaligen Schutztruppengebäude welches heutzutage als Gästefarm genutzt wird. Dort begrüßt uns auch Heikes Mann Markus, den wir als hilfsbereiten und lustigen Kerl bei unseren letzten Aufenthalten schätzen gelernt haben. Leider hat er aber dennoch einen großen Makel: er ist Schalke-Fan. Unser Toyi schmückt sich mit einem gewaltig großem Bayern München Aufkleber und wir könnens kaum erwarten ihn wieder zu sehen. Gross und stark und frisch gewaschen steht er unter dem Sonnendach, wir mögen ihn so wie er ist, mit all seinen Beulen und dem mittlerweile vielen Rost die die vergangenen fünfeinhalb Jahre Afrika und zum Teil auch mein Fahrstil hinterlassen haben. Toyi mag aber nicht anspringen, eine der beiden Starterbatterien ist hinüber. Der hilfsbereite Markus hat aber eine Ersatzbatterie für uns parat und nach kurzer Zeit schnurrt der Sechszylinder Dieselmotor unverkennbar und vertraut. Um an ihn ranzukommen musste aber erst ein Wespennest ausgerottet werden und dabei wurde die gute Heike ins Gesicht nahe dem Auge gestochen, was ihre Sehstärke für die nächsten Tage halbierte. Wir machten uns sogleich an die Arbeit um Toyi und die Ausrüstung flott zu machen, denn unser ehrgeiziger Plan sieht diesmal vor bereits übermorgen auf Tour zu gehen. Technisch ist diesmal eigentlich nicht viel zu tun, so wechsele ich lediglich die beiden versifften Dieselfilter und checke alle Flüssigkeitsstände. Mit den Schweißnähten der Edelstahl Dieselzusatztanks haben wir ja schon längere Zeit Probleme, eine vernünftige Reparatur erfordert aber viel Zeit und so verschieben wir dies erneut. Eine weitere Klebeaktion des mittleren Unterflurtanks mit Haftstahl muss genügen. Wenn das hält könnten wir 300L Diesel bunkern, das sollte für unseren Ausflug ins krisengeschüttelte Simbabwe ausreichend sein. Wir füllen die Wasservorräte auf und verfeinern die 230L Trinkwasser mit Mikropur, was Keime abtötet und es selbst bei höheren Temperaturen lange haltbar machen soll. Dazwischen steigen wir mal auf den Aussichtspunkt und genießen die tolle Sicht auf den 2600m hohen Bismarck-Berg, essen Kuchen und verratschen jede Menge Zeit mit Heike, Markus und ihrer Praktikantin Christiane. Wir staunen nicht schlecht als uns am Nachmittag eine 45 cm große Schildkröte besucht. Am Abend werden wir mit einem leckeren Abendessen verwöhnt. Es gibt Steaks von der Oryx-Antilope und Squashies, einer Kürbis-Art. Noch ein Bier auf der Veranda mit Blick auf den grandiosen Südsternenhimmel schließt unseren ersten Tag in Namibia ab. Um 22 Uhr liegen wir im Gästezimmer und schreiben noch vor dem Einschlafen Einkaufslisten für den nächsten Tag.
Nach einem leckeren Frühstück mit Warzenschwein-Schinken, Zebras-Salami und Kudu-Antilopen-Rauschfleisch fahren wir bereits am Donnerstag Vormittag in die große Stadt nach Windhoek. Die 45 km sind in einer guten halben Stunde zu schaffen, auch wenn man dabei jedesmal an einem unumgänglichen Polizeistopp ein Pläuschchen halten muss und wir obendrein peinlichst genau darauf achten alle Geschwindigkeitsbeschränkungen einzuhalten. Wir besorgen uns Namibia-Dollar, kaufen Lebensmittel für die anstehende Reise und Toyi bekommt für sündhaft teures Geld gleich zwei neue 85Ah Starterbatterien. Am Nachmittag besuchen wir das Büro des Touren-Veranstalters Bwana-Tucke-Tucke um dort unsere Permits zur geplanten Durchquerung der Central Kalahari abzuholen. Erst am vergangenen Montag hatte ich durch einen Tipp im Forum mit dieser Agentur Kontakt aufgenommen und mich kurzentschlossen und entgegen unserer Prinzipien dazu durchgerungen zum allerersten mal etwas im Voraus zu buchen. Die Gerüchte, das die Nationalparks in Botswana ohne Vorausreservierung am Eingang keinen Einlass mehr gewähren haben sich verdichtet und uns letztlich dazu bewogen einen Reiseplan zu erstellen wo wir Tag-genau angeben müssen wo wir wann übernachten wollen. Die zentrale Kalahari besteht mittlerweile aus dem zweitgrößten Nationalpark der Welt und da wollen wir bei unserer West-Ost-Durchquerung durch. Etwas zwiegespalten betreten wir das Bwana-Büro wo uns die deutschstämmige Manuela freundlich begrüßt uns sogleich zum Kaffeeklatsch einlädt. Dass wir eigentlich Kunden sind gerät dabei erstmal in Vergessenheit. Der aufgeschlossene Tour-Guide aus Würzburg unterhält uns außerdem prächtig und versorgt uns mit allerhand nützlichen Tipps von hier bis Victoria Falls. Ach und bei der Gelegenheit könnten wir ja gleich die Post für seinen Bekannten in Vic Falls mitnehmen wenn wir dort eines Tages vorbei kommen sollten. Kein Thema, wird gemacht falls wir nicht zwischenzeitlich verspeist wurden. Außerdem ist da auch noch der aufgeschlossene einheimische Tourguide, dem wir mit einem Brief behilflich sind, den er an eine deutsche Behörde schreiben möchte. Wir amüsieren uns nicht schlecht als sich herausstellt, dass er der `Bahee´ aus dem neuesten Hummeldumm Bestseller ist. Stolz präsentiert er uns ein vom Autor Tommy Jaud handsigniertes Hörbuch. Mittlerweile sind alle Genehmigungen eingetroffen, Manuela und ihre Mitarbeiterinnen haben viel telefoniert und gefaxt. Wir wollen drei Nächte im Central Kalahari Wild Reservat verbringen und obendrein noch eine Nacht im Nxai National Park. Gegen mächtig Euros bekommen wir ein paar Kopien ausgehändigt die uns den Eintritt ermöglichen sollen. Wir bleiben skeptisch. Das alles ist aber so unterhaltsam dass wir die Zeit vergaßen und erst am späten Nachmittag die nette Runde verlassen und im strömenden Regen die Rückfahrt zu unserer Farm antreten.
Wir sind gerade mal den dritten Tag in Afrika und schon soll‘s heute los gehen? Das ist zwar absolut untypisch für uns Trödler, aber wir wollen es heute tatsächlich wahr machen. Dazu trägt natürlich auch die gestern getätigte Reservierung fürs Central Kalahari Game Reserve bei wonach wir bereits morgen Abend dort die erste Nacht verbringen dürfen. Wir fackeln also nicht lange rum. Nach einem leckeren Frühstück wird der der Rest an Ausrüstung im Toyi verstaut und bereits um 11 Uhr fahren wir los. Vorbei am Flughafen geht’s auf guter Teerstraße durch schönes grünes Buschland nach Osten. Die 300km bis zur Grenze sind schnell zurück gelegt und so erreichen wir um 14:15 den Namibianischen Grenzposten. Nach 10min sind die Formalitäten erledigt und fahren ein paar hundert Meter weiter zum Grenzposten von Botswana. Hier dauert es etwas länger weil wir neben den Passangelegenheiten auch noch eine Road Permit (Straßenbenutzungsgebühr), einen Road Fund (Straßengebühr) und eine dreimonatige Versicherung kaufen müssen. Da wir noch keine Botswana Pula besitzen, dürfen wir mit Namibia Dollar bezahlen, dabei wird sicherlich großzügig aufgerundet und schon sind wir 550 ND los, was etwa 55 Euro entspricht. Das war vor eineinhalb Jahren aber noch um einiges günstiger. Um 15 Uhr ist alles erledigt und wir fahren auf gutem Botswana Teer weiter. Wir sind immer wieder verzückt vom unkomplizierten und geregelten Ablauf der Grenzformalitäten im südlichen Afrika. In einer halben bis dreiviertel Stunde ist meist alles erledigt, während man im nördlichen, westlichen und in Zentral-Afrika für Grenzübertritte manchmal gut und gerne einen halben bis ganzen Tag einplanen muss. Ich habe irgendwie die Befürchtung, dass wir nach ein paar Jahren im südlichen wohl geregelten Afrika dem anderen, dem chaotischen und ungeordneten Afrika nicht mehr gewachsen sein könnten. Wer ähnlich wie wir, mit dem eigenen Auto von Deutschland bis hierher gefahren ist, wird wissen was ich meine. Was haben uns diese Grenzen Nerven, Zeit und Geld gekostet und deshalb wollen wir hier jede einzelne dieser easy-going-Grenzen wertschätzen.
Um 17:20 erreichen wir Ghanzi, dem größten Ort am westlichen Rand der Zentralen Kalahari. Hier können wir doch tatsächlich mit der Visa-Karte lokale Währung vom Automaten abheben. Damit tanken wir schnell mal 281 Liter Diesel und kaufen noch ein paar Kleinigkeiten wie Tomaten, Avocados und Feueranzünder. In der Nähe finden wir eine sehr coole Campsite Namens `Thakadu` wo wir uns mit Oryx-Carpaccio, Kudu- und Eland-Antilopen-Steaks so richtig verwöhnen. Der Laden hat sogar WIFI und so schmeißen wir unser Netbook an und schreiben an paar beruhigende Emails nach Hause an unseren kleinen Schatz und an seine Großeltern. Beim Essen blicken wir auf ein beleuchtetes Wasserloch wo ab und zu Gnus und Antilopen trinken. Mit einem Bier in der Hand ist das ein wahrgewordener Traum. Durch die stockfinstere mondlose Nacht marschieren wir spät ein paar hundert Meter zu unserm Toyi zurück und bestaunen den überwältigend klaren Himmel bei Gerd’s kleiner Sternenkunde Teil 1. Glücklich und voller Vorfreude auf die nächsten Wochen schlafen wir schließlich die erste Nacht in unserem Moskito-Dome auf dem Dachträger unseres Toyi mit grandiosem Panorama-Himmel ein.
Unsere erste Nacht am Rande der Central Kalahari war recht ruhig. Ab und zu knackste es im Unterholz, da wir uns aber noch einigermaßen in der Zivilisation befinden gibt es eigentlich keinen Grund zur Furcht. Die Sonne geht um 6:45 Uhr mit einem farbenprächtigen Schauspiel auf. Wir genießen diese Morgenstimmung und verbleiben in unserem kuschligen Nest bis uns die Hitze auf treibt Für unser erstes Frühstück mit Berliner Landbrot aus Windhoek und allerlei Köstlichkeiten nehmen wir uns viel Zeit, außerdem laden wir Feuerholz aufs Dach und ziehen hier und da ein paar Schrauben am Toyi nach. Erst um 11:30 kommen wir los, vor uns liegen heute noch 250km auf sandiger Piste. Die ersten 100km fahren sich super, eine breite gut gepflegte Piste erlaubt bis zu 80km/h. Das geht in etwa so bis New-Xade, dem Ort wo man die Buschmänner der Central Kalahari ansiedelte nachdem man ihnen ihre seit `zig-tausend Jahren angestammten Jagdgründe wegnahm um dort dieses Wildreservat einzurichten. Irgendwie kommt man da schon ins Zweifeln, nun müssen sie in Häusern leben, dürfen nicht mehr jagen und sollen irgendetwas für sie sinnlos erscheinendes arbeiten um damit Sachen kaufen zu können die sie eigentlich gar nicht wollten. Und wir besuchen jetzt diesen Park…? Auf schmaler sandiger Piste geht es weiter und wir müssen gleich mal den Reifendruck reduzieren um nicht stecken zu bleiben. Je näher wir auf den Park zu kommen, desto langsamer kommen wir voran. Der Sand wird tiefer und Toyi neigt zu unangenehmen Bocksprüngen wenn man zu schnell fährt. An einem Wasserloch sehen wir ein paar Strauße und Oryx-Antilopen. Schließlich erreichen wir um 15:30 das Xade-Gate am Westrand des CKGR. Mittels unserer mitgebrachten Kopien ist der Eintritt in dieses Wild-Reservat kein Problem. Im Büro schreiben wir uns in ein großes Buch ein und schon dürfen wir weiterfahren. Man wünscht uns viel Glück und viele wilde Tiere zu sehen, naja wieder so ein Zwiespalt in den man da hineinfährt. Und so fahren wir eine halbe Sunde später durch dichtbewachsene grüne Savannenlandschaft, nichtsahnend dass wir bald eine Begegnung der ganz besonderen Art haben werden.
Unser erster Übernachtungsplatz liegt nahe der Piper Pan Wasserstelle, bis dahin sind es nochmal gute zwei Stunden Fahrt. Mittels GPS finden wir den Platz mit dem Schild PIP01 in der Abendsonne problemlos. Allerdings sind wir mal wieder etwas überrascht was uns hier erwartet, bzw. nicht erwartet. Vor allem ist so eine Camp-Site kein Campingplatz in dem Sinne, sondern es gibt lediglich ein Latrinen-Klo, so etwas wie eine Feuerstelle, jedoch kein Wasser, keinen Zaun außen rum und außerdem ist in unserem Falle kein weiterer Mensch außer wir selbst hier. Wir trösten uns dann immer mit dem Fakt, dass wenn regelmäßig etwas passieren würde, sie uns ja wohl nicht hier mutterseelenalleine unter wilden Tieren übernachten lassen würden. Trotz gefährlich dunkler Wolken bauen wir unseren Regenempfindlichen Moskito-Dome und das Schlafzeug aufs Autodach, machen ein nettes Feuerchen um die wilden Tiere abzuschrecken und fangen an ein Abendessen zu kochen. Eine Menge Perlhühner sausen vorbei, in der Ferne grast ein einsames Gnu und die Moskitos treiben schon ihr Unwesen. Da heißt es schleunigst mit allerhand Abwehrmittel einschmieren. Um 19 Uhr ist es bereits stockfinster. Gleich gibt’s Essen vermeldet Verena um 19:45 Uhr und ich mache schon mal eine Dose Bier auf um gut gerüstet zu sein. Während wir unser Festmahl bestehend aus Nudeln mit Tomatensauce, Maiskolben und Squashies verspeisen, fängt es an zu regnen. Schnell entfernen wir das Schlafgemach vom Dach und stopfen alles wieder in den Toyi. Dann ein kreischender Schrei einer Frau, genau genommen meiner Frau, denn sonst ist ja wie gesagt niemand da! Aufgeregt gestikulierend gibt sie mir zu verstehen, dass wir ins Auto flüchten sollten. Wegen der paar Regentropfen oder was? Ich frag also erstmal `warum` bevor ich was Falsches mache. Aber genau das war mal wieder falsch, denn nun sehe auch ich die Löwin die zirka 6 Meter neben uns an unserem Feuer vorbei geht. Ach du meine Güte, Verena hat Recht, ab ins Auto! Verena sitzt vorne, ich hinten, Türen zu, draußen steht das Essen auf dem Tisch, es regnet ein bisschen. Wo ist das Biest hin? Da vorne bewegt sich was. Wir machen die Scheinwerfer an und sehen die Löwin in etwa 20 bis 30 Meter Entfernung hin und her gehen. Wir haben butterweiche Knie und harren etwas eingeschüchtert der Dinge. Was sollen wir tun? Wie viele Löwen schleichen da draußen noch rum? Verena bemerkt, dass sie das Auto nie wieder verlassen wird. Mir tut das Essen leid und vor allem mein offenes Bier auf dem Klapptisch. Hätte sie uns angreifen wollen, dann hätte sie es tun können, so mein schlafkräftiges aber dennoch wenig überzeugendes Argument. Nach ein paar langen Minuten trauen wir uns wieder vorsichtig raus. Bewaffnet mit Axt und Buschmesser, lege ich erstmal kräftig Holz aufs Feuer und dann versuchen wir, ungemütlich im Toyi kauernd, unser Abendessen fortzusetzen. Doch beide stochern wir lustlos im Teller herum bis wir merken, dass der Appetit längst vorbei ist. Die Nerven sind zu angespannt und an einen gemütlichen Abend mit Sternenkunde ist unter diesen Umständen einfach nicht mehr zu denken. Um 20:55 bauen wir das Moskito-Zelt wieder aufs Autodach, umsichtig mit der Taschenlampe umher leuchtend. Verena huscht sogleich mutig hinein ins vermeintlich sichere Schlafgemach. Ich bringe unten alles in Ordnung und trinke mehr oder weniger genüsslich mein Bier aus. Es ist irre heiß und hat noch immer 30°C bei 42% Luftfeuchte. Um 21:30 liegen wir beide im transparenten Netz des Moskito-Domes und lauschen den Geräuschen der Nacht. Irgendwie fühlen wir uns wie auf dem Präsentierteller, aber wir wollten es ja so, möchten ja des Nachts alles sehen können was umher schleicht und kreucht und fleucht. Was für ein aufregender Tag, wir sind mitten in der Zentralen Kalahari, sind ganz alleine unter lauter wilden Tieren. Heute vor einer Woche waren wir noch im tiefsten Schneegestöber beim Schlittenfahren mit unserem kleinen Sohn…
Die Nacht bleibt ruhig, es regnet zum Glück nicht mehr, ist aber durchwegs sehr windig, aber warm, vor Sonnenaufgang hat es noch 23°C. Aufgrund der gestrigen Aufregung haben wir beide sehr unruhig geschlafen und sind beim Aufstehen entsprechend wirr im Kopf. Eine Stunde lang scannen wir vom Dachzelt aus die Gegend ab, ehe wir sie für ruhig und sicher genug halten aufzustehen. Um den Angstschweiß loszuwerden gönnen wir uns erstmal eine Dusche mittels unserer mobilen Wasserpumpendusche. Dann gilt es das Geschirr von gestern Abend zu spülen und das Schlafzeug wegzuräumen ehe der Wind alles davon weht Erst dann gibt’s ein gemütliches Frühstück im Schatten der Bäume. 10 nach 11 fahren wir dann mal los die eineinhalb Kilometer hinüber zum Wasserloch, wo sich jede Menge Gnus, Springböcke und Oryx tummeln. Hinter dem Wasserloch sind aber auch zahlreiche Geier angetreten. Wieder etwas mutiger geworden versuche ich sie zwecks des besseren Fotos aufzuscheuchen indem ich lauthals auf sie zu renne. Verena entdeckt in Sichtweite sich bewegende Köpfe. Vorsichtig fahren wir darauf zu und finden dort drei weibliche und einen männlichen Löwen träge im Schatten eines Baumes liegend. Aha so nah waren sie also heute Nacht. Ehrfürchtig und voller Respekt betrachten wir die stolzen Tiere vom sicheren Toyi aus allernächster Nähe. Klar dass das die Fotos des Jahres werden.
Anschließend fahren wir in paar Erkundungs-Touren um die flachen Grasland-Pfannen der Piper Pan und stöbern allerhand Wildtiere wie einen Schabrackenschakal, Streifengnus, Strauße, Oryx und einige andere Antilopenarten auf. Nach Mittag fällt uns ein lautes Klappern am Auspuff auf. Ich muss einen Aufhängungsgummi ersetzen. Dazu liege ich eine halbe Stunde lang unter dem Auto und versuche mich dabei nicht am heißen Auspufftopf zu verbrennen. Verena hält unterdessen ringsum Ausschau, dass ich derweil nicht unbemerkt aufgefressen werde. Auf unseren Weg nach Norden fahren wir am Nachmittag geradewegs in ein Gewitter hinein. Blitz und Donner und dunkle Wolken verleihen der blühend grünen Kalahari Landschaft einen noch theatralischere Stimmung. Wegen heftigen Regenschauern müssen wir einige Male sogar stehen bleiben. Im Vorbeifahren sehen wir unter einem Baum eine einzelne Löwin. Wir erkunden die Umgebung der Phokoje und der Tau Pan und als wir am späten Abend an jene Stelle zurück kommen sitzen an gleicher Stelle vier ausgewachsene Löwinnen und sage und schreibe fünf süße etwa Schäferhundgroße Löwenbabys. Was für ein Anblick, was für ein Glück, welch ein andächtiger Moment, wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus, als sich die ganze Gruppe erhebt und entlang unserer Piste gen Osten wandert. Leider auch genau auf unseren nur 3km entfernten Übernachtungsplatz zu. Wieder Löwen! Wir spüren beide wie schon die Knie weich werden wenn wir an unser heutiges Nachtlager denken. In den Pistenspuren haben sich Pfützen gebildet und die gesamte Löwenfamilie trinkt daraus, welch ein Anblick. Es blitzt und donnert und stürmt und weht. Doch schau mal, was ist das? Die Löwen steuern nun geradewegs auf ein Gnu zu, welches in einiger Entfernung aus einer anderen Pfütze trinkt. Es scheint die schnell näher kommenden Löwen nicht zu bemerken, ach du meine Güte das kann ja heikel werden. Ob wir das sehen wollen? Wir fahren im Schritttempo hinter der Gruppe her und bekommen die superbutterweichen Eier-Knie verpasst als sich das Gnu plötzlich umdreht und sich in das größte Löwen-Männchen verwandelt das die Welt je gesehen hat. Wir überlegen ernsthaft ob wir abermals unseren Nerven zumuten können wohlwissend in unmittelbarer Nähe dieser Raubtiere zu übernachten. Es ist aber entschieden zu spät um noch woanders hinzufahren und so lassen wir uns um 18 Uhr an der Site TAU03 nieder. Unnötig zu sagen, dass wir dort wiedermal ganz alleine mit dem Latrinen-Klo und sonst nix sind. Ich lenke mich mit unwichtigen Fragen ab, wo wir bei diesem Sauwetter schlafen werden, ob wir besser ein Regendach aufbauen sollten und wie ich trotz Regen ein Feuer anbringen soll. Verena findet derartige Diskussionen überflüssig und will vor lauter Angst und Bang das Auto verständlicherweise für gar nichts mehr verlassen. Ich gebe ja zu ebenfalls Angst zu haben, aber irgendwie sollten wir versuchen das Beste aus dieser Situation zu machen und das beginnt immer mit `business as usual`, will heißen mit einem guten Abendessen.
Ein paar überzeugenden Minuten später bauen wir tatsächlich das Regendach auf, laden das Holz vom Dach und schichten es unter einem schützenden Regenschirm auf. Man könnte fast meinen es sei alles in Ordnung, doch es bleibt chaotisch. Ich bring zwar ein Feuer an doch der stürmische Wind weht die Glut gefährlich in ständig wechselnde Richtungen davon und schafft es obendrein das Regendach zum Einsturz zu bringen. Na Klasse! Der Regen lässt zum Glück bald nach und so verstauen wir den nassen Regenschutz erstmal wieder in seiner Kiste. Es ist schon dunkel als wir uns zwei Dosen Reiscurry aufwärmen und sie wenig später im Toyi kauernd löffeln. Ein Bier dazu hilft natürlich gegen was auch immer. Unser Beschluss steht fest, dass wir heute im Auto schlafen werden. Dabei stört es uns weniger dass wir dort nur sehr beengt liegen können, sondern viel mehr dass wir ein aufwändiges Moskitonetz zu unserem Schutz aufbauen müssen. Während Verena das macht, halte ich Wache oder kümmere mich ums Feuer. Ab 20 Uhr sitzen wir auf Fahrer- und Beifahrersitz und beobachten biertrunken und mit sicherem Gefühl die Blitzorgien im Norden und Osten. Um 21:30 verlassen wir Toyi nur kurz um zur Hecktür wieder ins Bett einzusteigen. Dort ist es kuschlig, windgeschützt und wir fühlen uns vor allem sicher. Ein weiterer Tag zieht in Gedanken an uns vorüber und schließlich schlafen wir ganz gemütlich ein. Um 2:30 muss ich wegen dem vielen Bier unpassenderweise pinkeln. Ich behelfe mich indem ich das auf der Heckstoßstange stehend, halb in der Hecktür hängend erledige. Wieder mal nix passiert, alles noch dran, also rein ins Nest und weiterschlafen.
Nach sonst recht ruhiger Nacht sind wir bereits um 7 Uhr wach, haben aber keine Lust aufzustehen. Da der Toyi ideal im Schatten eines hohen Baumes steht, wird es im Wageninneren auch nicht so schnell heiß, so dass wir gemütlich bis 8:15 Uhr weiterkuscheln und die trügerische Stille und den strahlend blauen Himmel erstmal durch die Scheiben inspizieren. Wir beseitigen das Chaos von gestern Abend und nehmen uns wie immer Zeit für ein leckeres Frühstück, bevor wir losfahren. Es zieht uns magisch zurück an die Stelle wo wir gestern Abend den Löwen begegneten und tatsächlich liegt die fast ganze Familie, außer dem Vater, wieder unter ihrem Schattenbaum. Fasziniert verweilen wir fast eine Stunde. Die fünf kleinen haben es uns besonders angetan, man möchte aussteigen und sie streicheln.
Um die Mittagszeit fahren wir gen Osten Richtung Deception Valley, einem der urzeitlichen vertrockneten Flusstäler. Einmal versperren uns zwölf Strauße die Weiterfahrt, dann stöbern wir eine Giraffenherde auf, die sich gut getarnt unter den hohen Bäumen versteckte. Weitere Giraffen sind am Wasserloch von Letiahau beim Trinken und überall begegnen wir großen Antilopenherden, vor allem immer wieder Oryx. Wir haben gerade so unseren Spaß heute mit der Tierwelt. Später macht sich dann der Regen von gestern Abend bemerkbar, wir sinken zunehmend tiefer ein und haben einiges an Wasser zu durchqueren. Schließlich staunen wir nicht schlecht als wir vor der mit Wasser gefluteten Deception Pfanne stehen und einsehen müssen, dass wir hier nicht mehr weiterfahren können. Die Erkundungsfahrt um die Pan fällt also aus und so fahren wir weiter zur Kori Pan und folgen von dort der Verbindungspiste nach Westen um von dort ins Passarge Valley zu kommen, wo unser heutiger Lagerplatz liegen soll.
Den sehr schönen Platz PAS02 erreichen wir am frühen Abend. Von hier haben wir eine grandiose Aussicht auf das fossile Flussbett wo wir in der Ferne Antilopen und Gnus beim grasen sehen. Im Süden und Osten sind schon wieder heftige Unwetter aufgezogen, aber wir wollen uns nicht verrückt machen und die Abendstimmung genießen so lange es hell ist. Als die Dunkelheit näher rückt bauen wir mutig das Moskito-Zelt aufs Autodach, bereiten Essen vor und machen ein schönes Feuerchen. Während des Abendessens ist es absolut still, selbst der Wind hat sich gelegt. Hin und wieder leuchten wir mit den Taschenlampen ringsum das Gelände ab. Leuchtende Augen lassen uns zunächst aufschrecken, entpuppen sich aber als harmloser Springhase. Das lästige Geschirrspülen wird uns durch die vielen großen Gottesanbeterinnen noch erschwert die sich ständig aufs Licht unser Stirnlampen stürzen. Der nicht ganz klare Himmel taugt nicht recht zu großer Sternenkunde und so suchen wir lediglich Mars und Saturn auf. An diesem Abend gesteht Verena recht bald ein Angst-Hasi zu sein und dass sie nur noch hoch aufs Autodach möchte um sich wohler zu fühlen. Dafür habe ich echt vollstes Verständnis, lege Holz nach und beobachte die Gottesanbeterinnen wie sie sich der Reihe nach ins züngelnde Feuer stürzen, zumindest solange bis es auch mir etwas mulmig wird. Um 21 Uhr hat es noch angenehme 25 Grad bei 70% Luftfeuchte als auch ich mich aufs Dach ins sichere Moskitonetz verkrieche. Gemeinsam schauen wir noch in die Sterne und genießen den lauen Wind auf unserer Haut.
Der nächste Morgen beginnt mit einem farbenprächtigen Sonnenaufgang um 6:30 Uhr, den wir von unserem Panorama-Zelt aus beobachten. Nach einer schnellen Dusche aus den Toyitanks frühstücken wir unter einer Schirm-Akazie. Es ist zwar supersonnig aber windig und irgendwie kühl. Ein Zigarren-großer Tausendfüßler kriecht unter unserem Tisch hindurch und ein Honigdachs schleicht umher, mit diesen Burschen ist ja bekanntlich nicht zu spaßen. In den gelben Grasflächen des Passarge-Valleys sehen wir einige Oryx dahinziehen. Welch eine friedliche Stimmung, erst um 10:30 fahren wir los, weiter entlang des Tals nach Osten. Vier Giraffen versprechen einen guten Tag. Doch dann schon wieder Löwen! Unter einem Baum liegen drei gelangweilte Löwinnen und unter dem nächsten entdecken wir einen Löwen mit einer gerissenen Oryx-Antilope. Vom sicheren Fahrzeug aus können wir alles aus nächster Nähe beobachten. Von der Leopard-Pan geht’s weiter zur Sunday-Pan und schließlich verlassen wir am Nachmittag am Matswere Gate offiziell den Park der Central Kalahari an dessen Ostrand. Hoffentlich wird’s jetzt wieder etwas weniger wild hoffen wir beide. In dieser Gegend scheint es ebenfalls viel geregnet zu haben und so fahren wir durch mächtig Wasser und Schlamm und es spritzt nur so, dass wir permanent die Scheibenwischer benötigen.
Toyi schaut fast aus wie zu besten Zentralafrika-Durchquerungs-Zeiten. Am späten Nachmittag erreichen wir die Teerstraße. Im nächsten Ort Rakops gibt’s kein Diesel, denn die Tankstelle hat geschlossen. Wir pumpen unsere Reifen mit unserem Kompressor auf, ehe wir auf Teer weiter fahren. Eigentlich wollten wir ja von hier aus Richtung Kubu-Island, einer fossilen Insel inmitten der meist ausgetrockneten Salzseen von Madj, doch um diese Jahreszeit ist das laut Reiseführer zumindest vom Süden aus nicht möglich weil es ganz einfach zu schlammig ist. Also Kursänderung und weiter nach Norden. Wir kommen gut voran doch bis Einbruch der Dunkelheit finden wir nirgendwo ein Camp zum Übernachten. Schließlich schlagen wir uns um 18:45 Uhr in die Büsche. Kaum steht das Abendessen auf dem Tisch scheuchen uns seltsame Geräusche aus dem Gebüsch auf. Die seltsamen Schreie kommen immer näher. Wir sperren die Essensteller ins Auto (falls es Affen sind) und stehen mit Taschenlampen und Axt bewaffnet in Lauerstellung. Die Geräusche kommen näher und näher, wir sind angespannt und ängstlich nervös. Um Stärke zu demonstrieren stampfen wir ein paar Mal laut auf den Boden und schreien laut in die Nacht. Was auch immer es war, es klang echt seltsam und zog schließlich an uns vorbei weiter Richtung Straße. Endlich kommen wir um 20:15 Uhr zu unserem wohlverdienten Abendessen, bestehend aus Spagetti mit Tomatensauce und leckerem Tomatensalat. Wir wissen nicht recht was lästiger ist, die vielen Moskitos oder das Abspülen in der Dunkelheit, beides scheint jedenfalls ein unvermeidliches Übel zu sein. Vielleicht hilft ja ein Schluck Gin. Erst gegen 22 Uhr retten wir uns ins sichere Moskito-Zelt und betrachten den Sternenhimmel vom Toyi-Dach aus.
Die Nacht verlief ruhig, es gab zum Glück keine weiteren Störenfriede mehr. So wie die letzten Nächte war auch diese sehr feucht und am morgen ist alles tropfnass vom Tau. Sobald es hell wird studiere ich noch im Schlafsack liegend meine Sternenkarte um die nächtlichen Beobachtungen einordnen zu können. Der Südhimmel ist noch immer eine Herausforderung. Als wir später beim Frühstück sitzen finden wir unser Buschcamp richtig klasse. In der Nacht ist ja alles immer ein wenig unheimlich aber jetzt wo die Sonne lacht ist wieder alles in bester Ordnung. Was steht heute an? Die Kursänderung hat auch unseren Zeitplan etwas durcheinander gebracht. Mit dem ursprünglich geplanten Abstecher nach Kubu-Island wären wir erst morgen am Nxai National-Park gewesen und dementsprechend hatte ich in Windhoek über Bwana-Tucke-Tucke eine Übernachtung mitten im Park an den Baines Baobab vorreserviert. Da der Park-Eingang nun direkt auf unserer neuen Route liegt und wir nur noch gute 100km weg sind wollen wir dort versuchen umzubuchen. Als wir dort gegen Mittag eintreffen ist das auch alles kein Problem. Wir dürfen gleich im Park bleiben und die heutige Nacht am vereinbarten Platz verbringen. Später sollte sich rausstellen, dass wir eh mal wieder die einzigen Gäste sind. Was das mit der Vorausbucherei für leere Campingplätze soll wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Und so stehen wir bereits um 13 Uhr an einem Wasserloch in dem mehrere Elefanten baden. Eine hinzugekommene Zebraherde macht das Schauspiel perfekt. Immer wieder spähen wir die Gegend ab, damit uns nicht ein Elefant von hinten überrascht. Wir fahren einen großen Bogen im Uhrzeigersinn um die Nxai-Pan und sehen dabei neben großen Zebraherden immer wieder Elefanten und Giraffen aus nächster Nähe. Die Krönung sind aber zwei Geparden die unter einem Baum lagern. Als wir näher kommen schleichen sie gemächlich davon. Schade wir hatten zumindest gehofft dass sie gleich mit 120 Sachen davon sprinten. So verbringen wir den restlichen Nachmittag in grandioser grüner Savannenlandschaft und sehen außerdem jede Menge Oryx, Impalas, Strauße, sowie einzelne Schakale. Erst am späten Nachmittag machen wir uns auf unseren Übernachtungsplatz zu finden. Die berühmte Baumgruppe Baines Baobab finden wir recht zielstrebig. Wir müssen dazu nur den Spuren durch den Salzsee folgen. Wir hoffen inständig dass wir nicht plötzlich einsinken, schließlich schaut es auch schon wieder nach Regen aus. Die auffällige Baumgruppe wurde übrigens nach dem Britischen Militär Maler Thomas Baines benannt, der diese sieben urzeitlichen riesigen Affenbrotbäume im Jahre 1856 an dieser Stelle auf Öl gemalt hat. Von den Babobas sind wir sofort fasziniert, aber wo soll denn hier ein ausgewiesener Campingplatz sein? In der Nähe der Baobabs gibt’s jedenfalls nur Verbotsschilder. Wir drehen ein paar Runden ehe uns klar wird, dass wir noch einmal quer über den Salzsee fahren müssen, dort am gegenüberliegendem Ufer liegt der gesuchte Campsite, wir sind mal wieder die einzigen Menschen an diesem sonst verlassenen Platz. Von hier hat man einen tollen Ausblick auf die mystischen Baines Baboabs. Ringsum blitzt und donnert es mittlerweile was der Szenerie noch mehr Theatralik verleiht. Das Abendrot durchläuft alle erdenklichen Farbschattierungen. Zum Abendessen gibt es ein kräftiges Chilli und anschließend sitzen wir noch gemütlich an unserem Lagerfeuer und beobachten die Blitzorgien im Norden. Da es sehr windig ist und nach Regen riecht ziehen wir es vor heute im Auto zu schlafen. Um 22 Uhr verkriechen wir uns ins enge Wageninnere.
Nachts rechnet es ab und zu, wir lassen aber dennoch die Hecktüren geöffnet. Es gab keine nächtlichen Besucher, außer jede Menge Moskitos die glücklicherweise den Weg durch unser Netz nicht gefunden haben. Als wir um 7 Uhr aufstehen ist es sehr windig und der Himmel ist voller Schleierwolken. Wir stehen unter einem einzelnen Baobab mit grünen Blättern und vielen großen Früchten, ein schöner Platz. Wir positionieren unsern Frühstückstisch so, dass wir direkten Blick auf Baines Baobabs haben, also direkt am Ufer des Salzsees sitzen. Als wir später hinüber zu der imposanten Baumgruppe fahren, machen wir dort nochmal eine ausgiebige Erkundung zu Fuß und schießen unzählige Fotos. Der Rückweg zum Parkausgang ist kein Problem, da es zum Glück nicht viel geregnet hat.
Um die Mittagszeit erreichen wir den Ort Gweta, wo wir erstmal die einzige Tankstelle aufsuchen. Seit dem letzten Tanken in Ghanzi sind wir 1150km gefahren und haben etwa 200L Diesel verheizt, die wir hier wieder auffüllen. Ein Liter kostet 6,04 Pula, was ca. 65 Euro Cent entspricht. Im angeschlossenen Shop kaufen wir außerdem 15 Dosen Botswana Bier für a 8 Pula. Der Supermarkt im Ort glänzt mit fast leeren Regalen, außer einem Toastbrot und ein paar Tomaten finden wir nichts Brauchbares. Am Nachmittag wollen wir die umliegende Gegend erkunden, wo es noch mehr dieser sehr auffälligen Riesenbaobabs geben soll. Diese dienten den Engländern früher als Orientierungspunkte. Zwei davon sind sogar auf unserer Landkarte vermerkt. Vielleicht gelangen wir sogar bis ans Ufer des Madjdadji Salzsees. Mit diesen Plänen verlassen wir Gweta am frühen Nachmittag auf einer sandigen Piste nach Süd-Osten. Ein Hinweisschild besagt, dass es hier auch nach Kubu-Island gehen soll aber das haben wir eigentlich schon abgehakt. Die Spuren verzweigen sich oft und man weiß nicht welche die richtige ist. Wir versuchen einfach Kurs auf den etwa 30km entfernten Greens Baobab einzuhalten, mittels des GPS sollten wir den dann schon finden. Wir fahren durch Bilderbuch-Dörfer mit schönen Strohdächern und über grüne saftige Wiesen auf denen Rinder grasen. Kreuz und quer kurven wir durch die dichtbewachsene Landschaft und finden schließlich den gewaltigen Baobab, der nach seinem Entdecker Green benannt wurde und so auch in die Landkarten eingetragen wurde. An seinem Stamm finden wir historische Namensinitialen die bis ins Jahr 1866 zurück gehen. 10km weiter im Süden finden wir etwas später Chapmans Baobab, der noch beeindruckender als der vorherige ist. Unser Buch besagt, dass in seinem Stamm die Britische Post zwischengelagert wurde. Auch er trägt zu dieser Jahreszeit Blätter und Früchte, was ein lebhafteres Bild abgibt als das in unserem Reisführer abgebildete, welches wohl zur Trockenzeit entstand. Von hier aus wollen wir versuchen weiter nach Süden vorzudringen aber weit kommen wir nicht, der Untergrund wird immer feuchter und wir drohen im Schlamm zu versinken. Als wir umdrehen und Rückweg nach Norden antreten ist plötzlich ist die ganze Umgebung voller Zebras. Wir hatten ja gelesen dass sie um diese Jahreszeit hier durch ziehen, aber ihnen einfach so hier, also nicht in einem Park zu begegnen kommt dennoch überraschend.
Wir fahren ständig durch riesige Spinnennetze die das ganze Buschland zu umspannen scheinen. Mehrmals muss ich aussteigen um aufgesammelte zugehörige Spinnen vom Toyi zu entfernen. Die Biester sind beeindruckende handgroße Exemplare mit langen schlanken Beinen, denen ich mit meinen Arbeitshandschuhen auf den Pelz rücke. Am späteren Nachmittag sind wir zurück in Gweta und Verena atmet einigermaßen erleichtert auf, in der Hoffnung, dass die Spinnenplage damit erstmal vorbei ist. Dann ein lautes Kreischen und zack springt sie in bester Stuntman Manier aus dem fahrenden Auto. Ich lege ne Vollbremsung hin und entdecke dann auch jenes Riesenbiest was sich genau zwischen unseren Autositzen eingenistet hat. Die muss irgendwann zum offen Fenster rein gehüpft sein. Zum Glück bekomme ich sie mit dem ersten Griff zu fassen bevor sie sich irgendwo im Auto verkriechen konnte. Erst als ich nach einer gründlichen Durchsuchung den Toyi als Spinnenfrei deklariere bringe ich Verena dazu wieder einzusteigen, ihre Knie zittern und sie ist ganz blass vor Schreck. Was für ein verrückter Spinnen-Tag ist das denn! Bereits heute Vormittag hatte ich auf der Teerstraße nach Gweta fast eine fette Tarantel überfahren. Hatte mich dann aber neben ihr auf den Boden gelegt um ein schönes Foto ihres haarigen Körpers zu erhaschen.
Übernachten wollen wir heute am schönen Camp von Planet Baobab welches nur 10km außerhalb von Gweta an der Hauptstraße liegt. Dort angekommen haben wir uns endlich mal eine richtige Dusche verdient. Die Haare hatten’s nötig da wir sie vor einer Woche zuletzt auf Hohe Warte gewaschen haben. Im stilvollen Restaurant essen wir ein sehr afrikanisches Beef Curry, nachdem wir vorher schon Bier und Cider an der Bar hatten. Das Essen ist eigentlich einige Nummern zu scharf für Verena so dass sie heftig mit drohenden Mundverbrennungen kämpfen muss. Zurück am Toyi versuche ich den prächtigen Sternenhimmel mit einer Langzeitbelichtung einzufangen, aber die Batterie der Fernbedienung ist leer und ich hab keinen Ersatz dafür. Um 22:30 verziehen wir uns ins Nest auf dem Dach. Heute müssen wir uns mal nicht sorgen, wir stehen sicher und ohne wilde Tiere auf einem Campingplatz und Spinnen sind hoffentlich auch keine mehr da…
Endlich haben wir mal tief und fest und durch geschlafen. Ich bin erst zur Dämmerung zum ersten Mal wach, schlafe aber wieder ein und bringe die Augen endgültig auf als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Dicke Wassertropfen hängen am Moskitonetz und alles ist feucht. Zum Frühstück gibt dann ein absolutes Highlight. Verena hatte mir zum Geburtstag einen Toaster geschenkt. Jahrelang mühten wir uns zum Frühstück mit labbrigem Toastbrot ab, damit soll nun ein für allemal Schluss sein. Das Teil wir einfach auf den Gaskocher aufgesetzt und kann vier Scheiben Toast fassen. Nach ein paar Minuten dann das große aha: goldgelber knuspriger Toast vom Feinsten. So macht das Frühstücken selbst mit Britischem Brot Spaß. Wir haben ausnahmsweise Handynetz und da die Sehnsucht heute besonders schlimm erscheint, ruft Verena zur Abhilfe spontan bei Ihren Eltern an um sich nach unserem kleinen Schatz zu erkunden. Es scheint alles ok zu sein, wir sind beruhigt. Von der Lodge haben wir einiges an Feuerholz gekauft welches aufs Dach verstaut werden muss. Spülen, packen, Rechnung zahlen, irgendwie dauert alles lang. Dabei fällt uns wieder ein, dass wir fast keine lokalen Pula mehr haben. Der nette Besitzer des Camps tauscht leider auch keine Euros in Pula um, versichert aber unsere Vermutung, dass man im März ganz gewiss auch nicht von Norden kommend nach Kubu-Island fahren sollte. Damit ist dieser Abstecher endgültig von unserer Liste gestrichen. Mittags fahren wir noch einmal in den Ort und fragen an der Gweta Lodge ob uns jemand Geld wechselt. Nein, aber wir bekommen einen anderen guten Tipp. Wenig später, nachdem wir den China-Shop gefunden haben, tauscht uns dort ein junger Chinese zu fairem Kurs 250 Euro in Pula. Obendrein verkauft er natürlich alles was „made in China“ her gibt, was mir aber auch eine neue Knopfzelle für meine Kamerafernbedienung beschert.
Mit beruhigend viel Kohle in den Taschen fahren wir auf guter Teerstraße weiter Richtung Osten und geraten dabei schon wieder mal in den Regen. Südlich von Nata gibt es ein Vogelschutzgebiet welches wir besuchen wollen. Dort am Rande der gewaltigen Sua Salzpfanne sollen sich um diese Jahreszeit die Flamingos nur so tummeln. Wir sind mal wieder die einigen Besucher wie uns das Gästebuch des Vogelparks verrät. Nach weiteren teilweise recht schlammigen zwölf Kilometern stehen wir am Ufer des Salzsees. Er ist tatsächlich mit Wasser gefüllt und unüberblickbar groß. In direkter Ufernähe einige Flamingos, mit dem Fernrohr zählen wir so um die 130, neben ein paar einzelnen Pelikanen. Von einer Aussichtsplattform aus genießen wir die Ruhe dieser Idylle. Ein gewaltiges Gewitter zieht zunächst genau auf uns zu und dann aber doch irgendwie vorbei. Außer ein paar Tropfen regnets bei uns nichts während 10km nördlich in Nata die Welt unter zu gehen scheint. Wir genießen das Naturschauspiel und vergessen dabei ein wenig die Zeit. Erst spät am Abend fahren wir zurück in den Ort wo wir in der Nata Lodge campieren wollen. Die Einfahrt zum Camp ist völlig unter Wasser, so viel hat es hier geregnet. Wir parken Toyi und bevölkern sogleich die Bar. Später gibt’s köstliche T-Bone Steaks im Restaurant. Dem Wetter ist nicht zu trauen, deshalb müssen leider wieder im Auto schlafen. Mit den guten alten Beatles schlafen wir genüsslich ein.
Heute ist ein aufregender Tag. Wir wollen nach Simbabwe einreisen, ein ganz neues Land in unserer Sammlung, dort waren wir noch nie! Vielleicht ist es das was mich unruhig schlafen ließ, ich bin jedenfalls schon um 7 Uhr auf. Obwohl beide Hecktüren offen waren war es nachts sehr heiß im Toyi und die hohe Luftfeuchte macht‘s nicht einfacher zu ertragen. Es gab keinen Regen mehr und nun am frühen morgen ist der Himmel strahlend blau und die Sonne lacht. Bereits um 8 Uhr gibt es ein leckeres Müsli im Schatten einiger Palmen. Wir planen noch einmal die heutige Route und den zugehörigen Zeitbedarf. Ungewöhnlich früh um 9:20 fahren wir bereits los. Wenig später wird unser Anfangselan aber schon wieder gestoppt. Um ein paar Postkarten aufgeben zu können, müssen wir uns in eine lange Schlange Wartender Kunden am örtlichen Postamt einreihen. Das dauert und so wird es dann halt doch wieder nach 10 Uhr bis wir mal endgültig „on the road“ sind. Wir haben unseren ursprünglichen Plan geändert und fahren nicht Richtung Francistown und von dort weiter nach Simbabwe, sondern von Nata ca. 200km direkt nach Norden wo wir über die kleine Grenze bei Pandamatenga wollen. Das soll die Schleife die wir in Simbabwe fahren wollten etwas verkürzen um Risiken zu minimieren. Die 200km fahren sich flott und wir erreichen die Siedlung bereits um 12:30. Wir füllen nochmal die Dieseltanks auf, schließlich wollen wir in Simbabwe unabhängig von der dortigen zweifelhaften Treibstoffversorgung sein...